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17 Fragen an… Christian Spannagel von „Chrisp’s Virtual Comments“

9. Juni 2008 Einsortiert in 17 Fragen an..., Cafegespräche

Letztlich sind ja alle bloggenden Wissenschaftler zugleich auch „öffentliche Wissenschaftler“. Denn mit jedem Blogpost gewährt man ein wenig Einblick in die Themen, mit denen man sich beschäftigt, in die Art und Weise, wie man Probleme löst und welche Fragen man spannend, welche langweilig findet.

Ein Wissenschaftler, der sich vor drei Wochen aber ganz explizit das Etikett des „öffentlichen Wissenschaftlers“ angeheftet hat, ist Christian Spannagel.

Christian (seines Zeichens Juniorprofessor am Institut für Mathematik und Informatik der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg) hat für sich gewissermaßen als Programm formuliert, was als implizites Credo wohl die meisten Wissenschaftsblogger teilen: eine offene, dialogische Kommunikationskultur, die die eigene Forschungsarbeit transparent macht.

Und die Art und Weise, wie Christian dieses Ideal eines „öffentlichen Wissenschaftlers“ propagiert (der eben kein Geheimnis aus seinen aktuellen Projekten macht und ggf. auch zu seinen Fehlern steht), finde ich bemerkenswert. Umso mehr bin ich selbst auf die Antworten gespannt gewesen, die mir Christian auf meine neugierigen Fragen gegeben hat:

Es geht also weiter mit 17 Fragen an…

Christian Spannagel
Dr. Christian Spannagel

Chrisp’s Virtual Comments

Juniorprofessor PH Ludwigsburg

Bloggt seit: Juli 2006
Frequenz: ca. 3 Posts/Woche
Wissenschafts-Café-Profil: hier

1. Worüber hast Du zuletzt gebloggt?

Zuletzt habe ich über einen Vorschlag der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ gebloggt, der sich gegen die Panoramafreiheit richtet. Ich bin per Zufall auf die Thematik im Weblog Kreative Strukturen gestoßen. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich das Wort Panoramafreiheit noch gar nicht.
Genau das fasziniert mich am Lesen von Weblogs: Man bekommt unglaublich viel von Dingen mit, von denen man bislang gar nicht wusste, dass es sie gibt.

Faszination Weblog: Man bekommt unglaublich viel von Dingen mit, von denen man bislang gar nicht wusste, dass es sie gibt.

Zuvor habe ich einen Artikel für die Studierenden in meinem virtuellen Seminar „Web 2.0 in der Schule“ geschrieben. Ich stelle dort regelmäßig kleine Videos ein, die in eine neue Thematik einführen.

Diesmal ging’s um Web-2.0-Bilderdienste. Ich veranstalte mit meinen Studierenden einen kleinen Wettbewerb zum Thema „Flora und Fauna an der PH Ludwigsburg“: Wer das schönste Tier- oder Pflanzenbild, das im näheren Umfeld der PH geschossen wurde, in flickr einstellt, gewinnt was Schönes.

2. Wie erklärst Du beim Party-Small-Talk, womit Du dich wissenschaftlich beschäftigst?

Ich beschäftige mich prozessorientierter Informatikdidaktik und prozessorientierter Didaktik computerbasierten Lernens. Das heißt, dass ich didaktisch-methodische Fragestellungen untersuche, bei denen eher der Lernprozess im Mittelpunkt steht als das Lernprodukt.

Auf einer Party oder anderen wissenschaftlichen Veranstaltungen beginne ich die Erklärung meist über eine Analogie zur schwäbischen Kehrwoche. Bei der Kehrwoche ist es nämlich ähnlich: Es kommt lediglich auf den Prozess an, also darauf, dass man kehrt (und möglichst auch noch von den Nachbarn dabei beobachtet wird), wie’s hinterher aussieht (Produkt) ist eigentlich fast egal. :-)

3. Schon einmal daran gedacht, die Wissenschaft an den Nagel zu hängen?

Höchstens an den Span-Nagel. Aber: No jokes about names. Nein, eigentlich nie. Das wissenschaftliche Arbeiten ist die absolute berufliche Erfüllung für mich. Ich lebe im Flow-Kanal.

4. Und womit ließe sich stattdessen die Zeit vertreiben?

Ich vertreibe ungern Zeit, ich nutze sie lieber. Vermutlich würde ich versuchen, Flow-Erlebnisse in einem anderen Beruf zu haben.

5. Das nervigste Detail am akademischen Betrieb?

Mich stört die weit verbreitete Einstellung, man müsse seine Ideen möglichst bis zu dem Zeitpunkt unter Verschluss halten, bis sie in einem peer-reviewed Journal veröffentlicht sind, und zwar aus Angst, jemand könnte die Ideen klauen und vorab veröffentlichen.

Mich stört die Einstellung, man müsse seine Ideen möglichst bis zu dem Zeitpunkt unter Verschluss halten, bis sie in einem peer-reviewed Journal veröffentlicht sind. .

Dies behindert gemeinsamen Ideenaustausch, Kooperation, Synergieeffekte und das Bilden einer echten Community. Daher habe ich mich jetzt auch entschlossen, meine Arbeit in die Öffentlichkeit zu tragen. Als öffentlicher Wissenschaftler blogge ich meine Gedanken rund um Forschung und Lehre. Außerdem habe ich in einem Wiki meine Lehrphilosophie und mein Forschungsprofil beschrieben. Ich lade jeden (Wissenschaftler, Studierende, alle anderen) ein, mit mir dort meine Arbeit zu diskutieren.

6. Wie erklärt man in drei Sätzen, weshalb Wissenschaft dennoch faszinierend ist?

In drei Sätzen soll ich das erklären? Lass mal überlegen. Wissenschaft ist faszinierend, weil man dort die Möglichkeit hat, die Welt zu verbessern. (Ich hoffe, Nebensätze zählen nicht extra.)

7. Die beste Antwort auf die Frage, was man unter „Web 2.0“ und/oder der „Blogosphäre“ versteht?

Du meinst, welche Antwort ich jemandem geben würde, der sich mit dem Web 2.0 nicht auskennt? Vermutlich in etwa die folgende: Web-2.0-Dienste sind Webseiten, die es Menschen ermöglichen, nicht mehr nur Inhalte im Netz passiv zu konsumieren, sondern auch auf einfache Weise aktiv zu produzieren. Zudem bietet das Web 2.0 Methoden, wie man über diese selbst erstellten Inhalte andere Menschen mit ähnlichen Interessen finden kann. Mit diesem Menschen kann man dann im Web 2.0 Netzwerke bilden.

Das Web 2.0 ist also ein soziales Netz. Ein spezielles „Subnetz“ des Internets, gebildet durch die untereinander vernetzen Weblogs, bezeichnet man als Blogosphäre.

8. Auf welche Weise bist Du zum bloggen „verführt“ worden?

Ich habe anfangs viele Weblogs gelesen, insbesondere media-ocean. Mich hat fasziniert, wie Steffen Büffel Weblogs in der Lehre eingesetzt hat. Ich habe ihn anfangs kopiert. Dies ist übrigens meiner Ansicht nach ein ganz wesentlicher Aspekt für Weblog-Einsteiger: Sie müssen viel lesen. Nur so bekommt man einen Eindruck davon, worüber Weblogger schreiben, wie Weblogger schreiben und wie sich Weblog-Artikel „anfühlen“.

9. Mehr als Kopfschütteln geerntet, als Du Kollegen von Deinem Blog erzählt hast?

Nein, überhaupt nicht. Eigentlich finden es alle gut. Nur selbst möchte keiner so recht ein eigenes Weblog führen. Das Hauptargument ist, dass die Zeit dafür zu knapp ist. Aber wie Helge Städtler neulich in seinem Weblog richtigerweise bemerkt hat: Das Problem ist nicht die fehlende Zeit, sondern die falsche Prioritätensetzung. :-)

10. Ein unschlagbares Argument für einen wissenschaftlichen Blog?

Ein wissenschaftliches Weblog ist ein sehr gutes Werkzeug, um seine eigenen Gedanken zu Lehre und Forschung zu strukturieren und um Ideen zu elaborieren. In diesem Zusammenhang ist ein Weblog ein „Denkwerkzeug“ (cognitive tool).

Weblogs sind „Denkwerkzeuge“.

Zudem bietet es die Möglichkeit, mit Wissenschaftlern, mit Studierenden und mit anderen Menschen Diskussionen über diese Ideen zu führen. Hierdurch kann man sich sehr viele Anregungen holen, welche die eigene Arbeit voranbringen können. Dadurch lernt man auch Menschen kennen, die an den Weblog-Inhalten und somit an der eigenen Arbeit interessiert sind, und an deren Arbeit man selbst vielleicht auch Interesse hat.

11. Und das beste Argument dagegen?

Ich kenne nur in etwa gleich schlechte Argumente dagegen.

12. Interessanteste Begebenheit im Zusammenhang mit der Bloggerei?

Vielleicht nicht unbedingt eine interessante Begebenheit, aber eine unglaublich befriedigende Tatsache im Zusammenhang mit dem Bloggen könnte ich nennen: Ich finde es toll, wenn ich merke, dass sich Studierende in meinen Veranstaltungen für das Bloggen begeistern und auch noch weiter bloggen, nachdem das Seminar schon vorbei ist, wie beispielsweise Black Magic Universe oder Stormcloud – Light and Dark.

13. Sind Kommentatoren in Blogs nicht eigentlich störend?

Das ist wirklich eine sehr seltsame Frage, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Die Kommentare sind das eigentlich Wichtige. Das Feedback, das ich von den Lesern meiner Artikel erhalte, ist ungeheuer wertvoll.

Ich führe keine Monologe, sondern ich will Diskussionen forcieren. Wenn Kommentare störend wären, dann wäre es in etwa so, als würde ich einen Vortrag halten, mich aber anschließend von Fragen belästigt fühlen.

14. Bei welcher Gelegenheit, an welchem Ort fallen einem die besten (Blog-)Geschichten ein?

In der Regel an Orten, an denen ich keinen Internetanschluss habe.

15. Haben Blogs Suchtpotential und wenn ja, was kann man dagegen tun?

Ich glaube, sie haben Suchtpotential. Aber ich würde nichts dagegen tun. Gibt es nichts Schöneres, als süchtig danach zu sein, mit anderen seine Gedanken zu teilen und mit Menschen zu kommunizieren?

16. Für welche nichtwissenschaftliche Thematik wärst Du als Blogger prädestiniert?

Ich würde über das Web 2.0 schreiben, über tolle neue Tools, die ich ausfindig gemacht habe, und über den Sinn und Unsinn von bestimmten Web-2.0-Diensten. Also über das, worüber auch sonst die meisten Blogger bloggen.

17. Und worüber werden wir niemals in Deinem Blog lesen?

Über ganz private Dinge. Ich blogge über Inhalte, die meine Arbeit betreffen. Natürlich sind Weblog-Beiträge in der Regel etwas sehr persönliches, in denen man auch Dinge von sich selbst preisgibt. Das verleiht den Inhalten ja erst die wertvolle „persönliche Note“.
Aber explizit über Privates würde ich niemals bloggen. Sorry, Leute: Es wird keine Artikel über meine sexuellen Vorlieben geben. ;-)

Vielen Dank für Deine Antworten.

Zum Blog von Christian geht es hier lang:
Chrisp’s Virtual Comments

Zur Profilseite im Wissenschafts-Café (mit Bewertungsmöglichkeit).

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5 Antworten auf “17 Fragen an… Christian Spannagel von „Chrisp’s Virtual Comments“”

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  • […] Da hab ich natürlich nicht lange gefackelt. Mir wurden 17 Fragen gestellt, deren Antworten man im Wissenschaftscafé nachlesen […]

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