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17 Fragen an… Simone Heidbrink von om-sein

26. Mai 2008 Einsortiert in 17 Fragen an..., Cafegespräche

Daß Medienwissenschaftler nebenbei in der Blogosphäre aktiv sind, ist ja noch nachzuvollziehen. Auch bei manchen Naturwissenschaftlern ist man kaum erstaunt, wenn sich diese als Blogger outen. Anders verhält es sich jedoch mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen, oder? Hätten Sie etwa gedacht, daß auch Religionswissenschaftler überaus aktive und engagierte Blogger sein können?

Simone Heidbrink von der Uni Heidelberg ist so ein Exemplar. Wobei man einschränkend hinzufügen muß: die Tatsache, daß Simone sich in der Welt des Web 2.0 glänzend auskennt, ist keineswegs ein Zufall. Ihr Hauptinteresse gilt nämlich der Frage, wie und wo sich Religion im Onlineberech abspielt und äußert. Das Thema Ihrer Doktorarbeit und auch des SFB-Projekts, an dem sie beteiligt ist, kann also unter dem Etikett „Cyber-Religion“ subsummiert werden. Zu vielen anderen Fragen hat sie mir spannende Antworten gegeben…

Die Fortsetzung der Wissenschafts-Café-Interviews heute mit 17 Fragen an…

Simone HeidbrinkSimone Heidbrink M.A.
om-sein

Religionswissenschaftlerin
Wiss. Mitarbeiterin am SFB 619 „Ritualdynamik“ der Universität Heidelberg

Bloggt seit: Juli 2006
Frequenz: 1.8 Posts/Woche
Wissenschafts-Café-Profil: hier

1. Worüber hast Du zuletzt gebloggt?

Zuletzt habe ich über die Gründung der AG Social Media am 7. Mai 2008 in München gebloggt und ein wenig meine Wünsche, Vorstellungen aber auch Probleme resümiert, die ich als Wissenschaftlerin, die in diesem Bereich forscht, in einem solchen Unterfangen sehe. So habe ich z.B. Fragen der Forschungsethik thematisiert, denen sich der Verein, der ja sowohl Forschungsverband als auch Interessenvertretung sein möchte, möglicherweise irgendwann einmal gegenübersieht.

Auf Fragen der Forschungsethik reagiere ich möglicherweise deshalb so sensibel, weil die Methoden der kulturwissenschaftlichen Internetforschung wie beispielsweise die sog. „Virtuelle Ethnographie“ noch in ihren Kinderschuhen steckt und ethische Fragen, insbesondere im Bereich der qualitativen Sozialforschung in Virtuellen Welten, aber auch auf Social Networking Platformen von Forschern häufig kaum thematisiert zu werden scheinen.

Des weiteren befinde ich mich mit meinem Forschungsprojekt, das einen Schwerpunkt auf die Interdependenzen zwischen Religion und moderner Internettechnologie, insbesondere im Bereich des sog. „Web 2.0“ legt, in der Religionswissenschaft recht allein auf weiter Flur. Meine methodischen, methodologische und ethische Zugänge werden schon deshalb häufig kritisch hinterfragt, insbesondere auch von Wissenschaftlern, die im Offline-Bereich arbeiten.

2. Wie erklärst Du beim Party-Small-Talk, womit Du dich wissenschaftlich beschäftigst?

Meist verläuft die Unterhaltung in drei Schritten. Wenn ich sage, dass ich Religionswissenschaftlerin bin, sehe ich mich häufig mit der Vermutung konfrontiert, nach meiner Dissertation als Pfarrerin arbeiten zu wollen. Also erkläre ich zunächst den Unterschied zwischen Religionswissenschaft und Theologie. (Z.B. dass Religionswissenschaftler Theologen und Theologien zum Forschungsgegenstand haben können, jedoch selbst so weit als möglich „objektiv“ arbeiten bzw. ihren Standpunkt mitreflektieren. Und dass die Religionswissenschaft sich heutzutage als empirisch arbeitende Kulturwissenschaft versteht, was auf die Theologie verständlicherweise nur in Bereichen zutrifft.)

Diese Unterscheidung verwirrt viele Leute schon ganz gewaltig. Wenn ich dann noch sage, dass ich mich mit Religionen im Internet bzw. der Religiosität von Internetbenutzern beschäfte, was „konventionelle“ Webseiten, aber z.B. auch Virtuelle Welten wie „Second Life“ oder Online-Spiele wie „World of Warcraft“ beinhaltet, reicht die Reaktion meiner Gegenüber meist von totalem Erstaunen bis kopfschüttelndem Unverständnis. Da kann ich noch so sehr den Aktualitätsbezug herausheben.

Ein Gespräch über meine Forschung kann durchaus abendfüllend sein. Und oft sehr kontrovers.

3. Schon einmal daran gedacht, die Wissenschaft an den Nagel zu hängen?

Ja. Aber erst nach der Diss. :)

4. Und womit ließe sich stattdessen die Zeit vertreiben?

Auswandern, in Schottland Schafe züchten oder so etwas. Typisch deutsche Eskapismus-Phantasien eben. Vielleicht dabei das ein oder andere (populärwissenschaftliche) Sachbuch schreiben?

Aber im Ernst: Ich würde wahnsinnig gern in einer der vielen sog. „Beratungsstellen für Weltanschauungsfragen“ arbeiten. Aber die sind leider fest in theologischer Hand.

5. Das nervigste Detail am akademischen Betrieb?

Neben den vielen zeitraubenden Sitzungen meines Forschungsverbunds, die oft nur wenig Output bringen, einen aber gewaltig von der Arbeit abhalten, ärgert mich vor allem der Konservativismus und die mangelnde Beweglichkeit im Wissenschaftsbetrieb.

Kann man Forschung denn tatsächlich nur dann ernst nehmen, wenn die Akteure, um die es sich dreht, schon lange tot und vergessen sind?

Warum wird z.B. über „moderne Themen“ (wie die kulturwissenschaftliche Internetforschung) immer noch die Nase gerümpft? Ich hinterfrage von meiner Position ja auch nicht die Entschlüsselung altbabylonischer Keilschriftragmente! Kann man Forschung denn tatsächlich nur dann ernst nehmen, wenn die Akteure, um die es sich dreht, schon lange tot und vergessen sind?

6. Wie erklärt man in drei Sätzen, weshalb Wissenschaft dennoch faszinierend ist?

Neugierig sein zu dürfen, sich mit den Themen zu beschäftigen, die einen sowieso interessieren – und dafür auch noch bezahlt zu werden! Ist doch traumhaft, oder?

7. Die beste Antwort auf die Frage, was man unter „Web 2.0“ und/oder der „Blogosphäre“ versteht?

Aus meiner Forschungsperspektive heraus wäre die einfachste Antwort auf diese Frage: „Web 2.0“ ist das, was die Akteure, die ich untersuche, darunter verstehen und was sie mit und aus den derzeit verfügbaren Internet-Applikationen machen.

„Web 2.0“ ist das, was die Akteure, die ich untersuche, darunter verstehen…

In erster Linie würde ich sagen: Die oft postulierte Wende vom „Web 1.0“ zum „Web 2.0“ gibt es so gar nicht, das war ein eher schleichender Prozess! Dabei hat sich weniger die Technik geändert, als deren Wahrnehmung und Nutzung durch die im Netz aktiven Akteure.

8. Auf welche Weise bist Du zum bloggen „verführt“ worden?

Wenn man über Blogger und Bloggen forscht, sollte man wissen, worüber man redet. Das geht am einfachsten, indem man es selbst ausprobiert. (Und die Fragen zur perönlichen Involviertheit des Forschers in seinen Forschungsgegenstand, die man an diese Antwort anknüpfen könnte, lasse ich jetzt einfach mal aus. Ich denke, die Vorteile, die man aus der eigenen Erfahrung ziehen kann, überwiegen bei weitem.) So hat es angefangen. Und irgendwie hat es mir Spaß gemacht!

9. Mehr als Kopfschütteln geerntet, als Du Kollegen von Deinem Blog erzählt hast?

Es kamen eigentlich meist positiven Reaktionen. Es kam aber auch die Frage: „Was ist ein Blog?“ Kenntnisse über moderne Internet-Anwendungen sind in meinem Fachbereich durchaus nicht selbstverständlich.

10. Ein unschlagbares Argument für einen wissenschaftlichen Blog?

Blogs sind eine schnelle und unbürokratische Veröffentlichungsplattform aktueller Forschung. Als Instrument der Wissenschaftskommunikation erzeugen Blogs Synergieeffekte durch Dialog- und Vernetzungsmöglichkeit mit anderen Wissenschaftlern (oder sie haben zum mindesten das Potential dafür). Dabei können interessante Impulse für die eigenen Projekte herauskommen – oder man erfährt, dass man mit seinen Thesen total auf dem Holzweg ist.

Als Instrument der Wissenschaftskommunikation erzeugen Blogs Synergieeffekte.

Außerdem kann über Blogs für Unterstützung und Verständnis für (vielleicht augenscheinlich „sinnlose“ oder „wirtschaftlich unrentable“) Forschung geworben werden. Ein öffentlicher Diskurs hilft dem Forscher außerdem, sich von leeren Worthülsen zu lösen (mit denen sich die Wissenschaft manchmal gerne umgibt) und seine Forschung in allgemein verständlicher Form zu vermitteln und auf das zu reduzieren, worauf es wirklich ankommt.

11. Und das beste Argument dagegen?

Tja. Eigentlich dieselben Argumente wie oben. Eine vorzeitige Publikation von Forschungsergebnissen in Blogs kann „gefährlich“ sein, denn die Ergebnisse könnten „gestohlen“ werden. Blogs zählen nach wie vor nicht als „echte“ Publikation, wer wird schon einen Blogbeitrag zitieren? Man macht sich als
bloggender Wissenschaftler also mitunter angreifbar, vielleicht zu angreifbar? Außerdem ist Bloggen ein echter Zeitkiller. Und kann damit auch zu Lasten der eigenen Diss gehen. Soll / Möchte man das tatsächlich riskieren, zumal die Anerkennung für Blogs als Veröffentlichungsplattform bzw. als Instrument der Wissenschaftskommunikation nach wie vor fast nicht vorhanden ist? Außerdem: Wer liest das schon? Am Ende ist das Schreiben in meinem Blog nur mein kleines, ganz persönliches öffentliches Selbstenblößungsritual (oder wird als solches wahrgenommen)?

12. Interessanteste Begebenheit im Zusammenhang mit der Bloggerei?

Da fällt mir leider nichts wirklich Spektakuläres ein. Dafür ist mein Blog wahrscheinlich zu klein und unbedeutend.

Erstaunt bin ich nur immer wieder über die Fragen zur Herkunft des Namens. Anscheinend wird mir gerne eine Affinität zum Buddhismus unterstellt (was nicht ganz falsch ist, da ich mich als Japanologin und Religionswissenschaftlerin durchaus auch schon mit dieser Religion beschäftigt habe). Wenn ich dann erkläre, dass „omsein“ nichts mit dem Erreichen eines transzendenten Geisteszustands mittels der Silbe „Om“ zu tun hat, sondern einfach nur ein Anagramm meines Vornamens ist, sind viele ganz enttäuscht … Das neue Design meines Blogs trägt allerdings jetzt dieser häufigen Unterstellung Rechnung. ;)

13. Sind Kommentatoren in Blogs nicht eigentlich störend?

Nein. Im Gegenteil. Ich hätte gerne mehr davon!

14. Bei welcher Gelegenheit, an welchem Ort fallen einem die besten (Blog-)Geschichten ein?

Im Alltag bzw. im alltäglichen Wissenschaftsbetrieb. Eigentlich immer mal wieder.

15. Haben Blogs Suchtpotential und wenn ja, was kann man dagegen tun?

Blogs direkt nicht, zum mindesten sehe ich da bei mir keine Gefahr. Aber eine gewisse Internetsucht kann ich nicht verneinen. Wenn ich mal ein paar Stunden oder Tage vom Netz war, stellen sich gewisse Entzugserscheinungen ein …

16. Für welche nichtwissenschaftliche Thematik wärst Du als Bloggerin prädestiniert?

Ein Katzenblog! Ich mag Katzen! ;)

17. Und worüber werden wir niemals in Deinem Blog lesen?

Vermutlich über Katzen. Es sei denn, sie haben etwas mit Religion zu tun!

Nein, im Ernst. Ich kann und möchte mich da nicht festlegen. Meine Blogbeiträge haben meist im weitesten Sinn etwas mit Religion oder dem öffentliche Diskurs bzw. der wissenschaftlicher Reflexion über dieses Thema zu tun, oft gewürzt mit einer Prise Ironie. Neuerdings kommen vermehrt theoretische und/oder methodische Überlegungen zur kulturwissenschaftlichen Forschung moderner Internet-Anwendungen dazu. Mein Blog reflektiert in gewisser Weise das, was mich beschäftigt, allerdings in eher essayhaftem Stil und nicht in Form eines „klassischen“ wissenschaftlichen Aufsatzes. Ein Thema im Vorhinein ausschließen kann ich einfach nicht!

Vielen Dank für Deine Antworten.

Zum Blog von Simone geht es hier lang:
om-sein

Zur Profilseite im Wissenschafts-Café (mit Bewertungsmöglichkeit).

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2 Antworten auf “17 Fragen an… Simone Heidbrink von om-sein”

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